Patrouilleure im Einsatz: Lawinenhunde auf Spurensuche
Wenn nach einem Lawinenabgang die Gefahr besteht, dass Personen verschüttet wurden, ist schnelles Handeln erforderlich. Bei Suchaktionen auf einem Lawinenkegel sind die Lawinenhundeführer der «Alpinen Rettung Schweiz» mit ihren ausgebildeten Hunden mit dabei. Auch Seraina und ihre Hündin Emma sind bei Unglücken in der Region Davos Klosters einsatzbereit. Wird die Crew die Schneesportler finden und retten können?
Spürnasen im Einsatz
Trainieren für den Ernstfall
Es herrscht Stille und ein wenig Licht dringt zu mir durch. Die Kälte des Schnees ist merklich spürbar. Plötzlich kommt die weisse Schneemasse ins Wanken. Eine schnüffelnde Nase und zwei Pfoten graben sich in meine Richtung. Als Nächstes spüre ich die Spürnase im Gesicht und eine kalte Zunge schleckt mich ab. Schila hat es geschafft. Als Belohnung bekommt die Hündin ein Würstchen, das sofort in ihrem Maul verschwindet.
Damit die Zusammenarbeit im Ernstfall perfekt funktioniert, trainieren die Lawinenhundeführer in Davos Klosters alle zwei Wochen mit ihren Hunden die Suche nach Personen. Vali, der Rettungschef der Davos Klosters Bergbahnen, leitet die Übung. Frühmorgens hat er zwei Löcher im Schnee geschaufelt. Aus einem solchen Loch krieche ich wieder hinaus, nachdem mich meine Retterin auf vier Pfoten Schila erfolgreich gefunden hat. Die nächste Person legt sich mit Skiern und Rucksack hinein, bevor das Eingangsloch mit Schnee verschlossen wird.
Die Belohnung wartet
Nun ist Hündin Emma an der Reihe. Freudig springt sie auf und ab und kann den Start der Übung kaum erwarten. Frauchen Seraina zieht ihr die Schabracke an. Sobald sie diese trägt, stellt sie in den Arbeitsmodus um und weiss sofort, was von ihr verlangt wird. Seraina geht das vorbereitete Schneefeld mit ihren Skiern samt Fellen im Zickzack ab. Emma eilt voraus. Sobald sie eine Fährte wittert, folgt sie dieser zielstrebig.
Am Ziel wedelt sie stark, was ein Zeichen dafür ist, dass sie etwas aufgespürt hat. Dann beginnt sie zu scharren und gräbt sich zur Person im Loch vor. Freudig springt sie hinein und holt sich dort ihre Belohnung ab. Jetzt muss sie auf dem Feld noch die zweite Person finden.
Bereit für den Einsatz
Mit dem Helikopter zum Lawinenkegel
Seit Februar 2021 ist Seraina ausgebildete Lawinenhundeführerin bei der «Alpinen Rettung Schweiz». Mit ihrer Gruppe ist sie für das Gebiet Davos, Prättigau und Albula zuständig. Wenn ein Lawinenunglück in dieser Region passiert, sind sie auf Abruf bereit. Seraina wird dann per App alarmiert. Anschliessend gibt Seraina an, ob sie verfügbar ist und wie weit sie vom Lawinenabgang entfernt ist. Die Person mit Hund, die der Unfallstelle am nächsten ist, wird mit der Rega-Helikopter abgeholt und zum Lawinenkegel geflogen. Bei der Suche nach Verschütteten zählt jede Sekunde. Die Überlebenschance einer verschütteten Person sinkt ab 15 Minuten rasant ab.
Am Unfallort angekommen
Die Spürnase von Emma kommt zum Einsatz, wenn bei einem Lawinenabgang Verschüttete vermutet werden, aber kein Signal eines Lawinenverschüttetensuchgeräts (LVS) empfangen wird. Tragen Schneesportler ein LVS und haben dies eingeschalten, können sie über die gesendeten Signale gefunden werden. Der Helikopter oder die Rettungshilfen suchen den Lawinenkegel zuvor mit einem LVS oder einem Recco ab. Wenn nur ein Signal geortet werden kann, jedoch mehrere Leute unterwegs waren, dann kommt sicherheitshalber der Hund zum Einsatz. Wird kein Signal empfangen, dann beginnt die Suche mit Hund und Sonde.
Das Aufspüren von Verschütteten mit der Nase ist für den Hund sehr anstrengend. Bei grossen Lawinenfeldern werden zwei bis drei Lawinenhunde losgeschickt. Viele Menschen auf dem Lawinenfeld sowie der Geruch von Kerosin des Helikopters erschweren die Suche. In der Region Davos Prättigau werden die Einsätze oft von Vali oder Nic geleitet. Als erfahrene Rettungschefs und Hundeführer können sie die Situation vor Ort einschätzen, das Rettungsteam koordinieren und womöglich zusätzliche Hunde einsetzen.
Ausbildung zum Lawinenhund
Alles über die Nase
Mit drei Monaten ist Rif die Jüngste im Team. Sontje, ihre Besitzerin, nimmt sie schon zu Übungen mit und gewöhnt sie an das Umfeld. Sobald sie ein Jahr alt ist, wollen sie am Eintrittstest teilnehmen, wo die Gehorsamkeit geprüft wird. Bestehen sie diesen, startet die zweijährige Ausbildung zum Lawinenhund.
In vier Modulen lernt der baldige Lawinensuchhund schrittweise die Suche nach Personen. Die Übungen starten damit, dass der er sein eigenes Herrchen in offenen und danach in geschlossenen Schneelöchern sucht. Danach wird ihm das Aufspüren von Fremdpersonen und Gegenständen wie Rucksäcken und LVS-Geräten beigebracht. Die Ausbildung schliesst mit einem einwöchigen Kurs in Bernina ab, wo die Spürnase zum Erlangen der Einsatzfähigkeit zwei Fremdpersonen finden muss.
Damit Seraina als Lawinenhundeführerin arbeiten darf, legt sie alle zwei Jahre eine Prüfung ihrer Einsatzfähigkeit ab. Zudem nimmt sie regelmässig an den Gruppenübungen teil.
Arbeit mit Hunden
5 Fragen an Seraina
- Name: Seraina Bebi-Meier
- Berufe: Lawinenhundeführerin und Patrouilleurin Pisten- und Rettungsdienst Jakobshorn im Winter, Hundetrainerin im Sommer
- Hunde: Emma, Maui und Gin
1. Was gefällt dir an der Arbeit mit Hunden?
Emma hat einen grossen Arbeitswillen. Diesen nicht zu fördern, wäre sehr schade. Es ist ein tolles Gefühl, gemeinsam Ziele zu erreichen. Am Anfang dachte ich, das werden wir nie schaffen. Heute stehe ich im Ernsteinsatz auf der Lawine und weiss, ich kann meinem Hund vertrauen. Wenn jemand verschüttet ist, spürt sie die Person auf.
2. Wie bist du dazu gekommen Lawinenhundeführerin zu werden?
Als Emma zehn Wochen alt war, habe ich sie bekommen und sie hat meine Welt auf den Kopf gestellt. Sie wurde einfach nicht müde und ich merkte, dass ich sie fordern muss. So kam ich zur Geländesuche REDOG, mit der wir im Sommer im Einsatz sind.
Da ich so gerne Skifahren, kam die Idee auf, Emma auch für die Suche im Winter auszubilden. Bei der Alpinen Rettung war noch ein Platz frei und Emma hat sich beim Unterordnungstraining und Eintrittstest sehr gut präsentiert. Ich hatte viel Glück und war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Die Ausbildung kostet der Alpinen Rettung Schweiz sehr viel und nur wenige Hunde werden für die Ausbildung angenommen.
3. Was hast du in der Ausbildung zur Lawinenhundeführerin gelernt?
Während der Ausbildung lernte und übte ich Schnee- und Lawinenkunde, Orientierung im Gebirge und den Umgang mit dem Lawinenverschütteten-Suchgerät (LVS). Auch medizinische Kurse standen am Programm. Einen Tag verbrachten wir auch in einem Helikopter. Das Ziel dabei war, dass Emma und ich lernen, wie wir uns bei einem Flug richtig verhalten.
In der Ausbildung sind ich und Emma als Team noch stärker geworden. Ich kenne sie gut und weiss, wie ich mit ihr umgehen muss. Sie zeigt mir zum Beispiel unterschiedlich an, ob sie ein LVS-Gerät oder eine Person gefunden hat. Solche Besonderheiten kann man nur erkennen, wenn man eine enge Beziehung zueinander hat. Darum darf ich als Hundeführerin nur mit dem Hund eingesetzt werden, mit dem ich die Ausbildung gemacht habe.
Meine Arbeit als Patrouilleurin hilft mir als Lawinenhundeführerin viel. Es ist ein Vorteil, dass Emma bei der abendlichen Pistenkontrolle dabei ist und Skifahrer gewöhnt ist.
4. Welche Hunde sind für die Ausbildung als Lawinenhund geeignet?
Grundsätzlich sind Hunde mit einem guten Arbeitswillen, einer guten Kondition und mit einer mittleren Grösse als Lawinenhunde geeignet. Für das Gehen über den Schnee darf der Hund nicht zu klein oder zu schwer sein. Früher waren in der Alpinen Rettung vor allem Schäferhunde im Einsatz. Heute sind auch Labradore, Golden Retriever und Border Collies beliebte Hunderassen, die in der Lawinenrettung aktiv sind. Wir haben auch einen Vierbeiner der Rasse Riesenschnauzer im Team, der seine Arbeit sehr gut macht.
5. Wie viele Einsätze hattet ihr schon gemeinsam?
Emma und ich sind seit Februar 2021 einsatzfähig und hatten gleich zwei Wochen später den ersten Einsatz am Jatzhorn. Die beiden letzten Winter waren wir 6 Mal bei einer Suche dabei. Oft haben wir einen Alarm bekommen, jedoch waren kurz später die Verschütteten schon draussen.
Lawinenkunde
Mit guter Vorbereitung das Risiko verkleinern
In jedem Fall ist beim Wintersport abseits der Piste eine gute Vorbereitung, das Prüfen der aktuellen Lawinengefahr sowie das Mittragen entsprechender Ausrüstung (LVS-Gerät, Schaufel, Sonde und Airbag) überlebenswichtig. Lokale Erlebnisanbieter bieten zudem regelmässig Kurse zur Lawinenkunde an.
Für den Ernstfall sind Seraina, Emma und ihr Team der «Alpinen Rettung Schweiz» in den Bergen von Davos Klosters unterwegs. Wir sind dankbar für ihren Einsatz und wünschen allen Gästen auf und abseits der Skipiste sichere Schneesport-Abenteuer!
Eure Davos Klosters Mountains