Patrouilleure im Einsatz: Sprengungen für sichere Skipisten (Teil 1)
Ein Knall ertönt und eine gewaltige Schneemasse kommt ins Rutschen. Der SOS Jakobshorn ist für Sprengarbeiten auf dem Berg unterwegs. Mit den Sprengungen lösen sie kontrolliert Lawinen aus, die auf die Piste rutschen könnten. Sie sichern das Skigebiet Jakobshorn, damit Ihr ohne Sorgen Skifahren könnt. Auch mit Sprengstoff im Rucksack behalten die Patrouilleure einen kühlen Kopf. Wir begleiten Patrouilleur Michael Meier bei einem Sprengeinsatz mit seinem Team.
Handsprengungen im Skigebiet Jakobshorn
Für die Pistensicherung mit der ersten Gondel auf den Berg
«Anhand der Schneeprognose entscheidet der Sprengverantwortliche Urs Meier, welche Gondel wir am Morgen nehmen. Vor Ort können wir die Schneesituation am besten beurteilen, da sich diese über Nacht stark verändern kann. Wir erkennen, wenn die kritische Neuschneemenge erreicht wurde und sehen die Windeinflüsse, die über Nacht gewirkt haben. Die Expositionen, an denen der Schnee abgelagert wurde, stehen bei uns im Fokus. An den übrigen Hängen machen wir mindestens eine Testsprengung, um die Lawinensituation besser einschätzen zu können.», erzählt Michi, der jüngste Patrouilleur vom Team. Er arbeitet seit zwei Jahren beim Rettungsdienst.
Es ist 07:00 Uhr morgens und die Jakobshorn Gondel bringt die Patrouilleure des SOS Jakobshorn auf den Gipfel. Seit drei Tagen schneit es in Davos. Rettungschef Urs Meier studiert auf seinem Handy und vor Ort das Wetter und den Wind. Über die Schneeverhältnisse muss er bestens informiert sein, um die Lawinengefahr korrekt einschätzen zu können. Per Funk ist er schon im Kontakt mit den Arbeitern auf dem Berg, damit die Piste gesperrt ist. Keine Gäste werden auf den Berg gelassen und die Pistenbully-Fahrer fragen per Funk nach, bevor sie eine Piste präparieren.
Das Rüsten des Sprengstoffes
Oben angekommen, muss zuerst der Sprengstoff gerüstet werden. Diese Arbeit geht zackig und Hand in Hand.
- In den verpackten Sprengstoff werden zwei Löcher gestochen.
- Dann wird die Sicherheitszündschnur mit der Zündkapsel hineingesteckt.
- Mit Klebband werden die beiden Schnüre gut fixiert, damit die Sprengkapsel drinnen bleibt.
15 Sprengkörper sind bereit und werden in die Rucksäcke gepackt. Es kann losgehen!
Die Zündung und die Detonation
Mit Skiern unterwegs zu den Sprengpunkten
In zwei Gruppen verteilen sich die vier Patrouilleure im Skigebiet. Michi und sein Partner fahren vom Gipfel des Jakobshorns in Richtung Südhang. Sie sichern heute die Pisten Jakobshorn Standard und Jakobshorn Nord. Unterwegs sind alle mit Tourenskiern, falls sie einen Aufstieg machen müssen, sind die Felle eingepackt. Bei jedem Einsatz ist auch immer die komplette Lawinenausrüstung bestehend aus ABS-Rucksack, Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS-Gerät), Schaufel, Lawinensonde und Apotheke mit dabei.
Nach der Zündung – 90 Sekunden bis zum Knall
«Bei den Sprengarbeiten muss alles sehr effizient ablaufen. Das Ziel ist, dass die Pisten schnellstmöglich wieder geöffnet werden können. Die Sicherheit der Sprengenden steht jedoch immer im Vordergrund.», ergänzt Michi Meier. Nach dem Funkkontakt mit der Zentrale zieht er den Reisszünder ruckartig hinaus.
Mit dem entstandenen Funken entzündet sich die Sicherheitszündschnur und brennt langsam ab. Diese Flamme überträgt er auf die zweite Schnur und wirft den Sprengkörper gekonnt in den Schnee. Schon liegt dieser an der richtigen Stelle im Hang. Michi positioniert sich an einem sicheren Rückzugsort. Nun heisst es warten und die Ohren zuhalten. Währenddessen brennt die Flamme die Sicherheitszündschnur entlang und löst schliesslich die hochexplosive Sprengkapsel aus. Diese bringt den Sprengstoff zur Detonation. Nach 90 Sekunden ertönt der erlösende und laute Knall.
Schnell werfen wir einen Blick den Hang hinunter. Die erste Sprengung hat nur wenig Schnee ausgelöst. Gleich geht es weiter zum nächsten Sprengpunkt.
Sprengstoff-Aufbewahrung hinter Stahlbeton
Insgesamt 14 Mal hat es heute im Skigebiet geknallt. Davon hat Michi vier Ladungen geworfen. Eine Ladung ist übrig und muss im Sprenglager wieder zurückgebaut werden. Für die Handsprengungen wird der Sprengstoff Tovex verwendet. Durch die hohe Sprengkraft und den tiefen Gefrierpunkt von minus 20 Grad, ist der Wasser-Gel-Sprengstoff besonders für die Lawinensprengung geeignet. Heute wurden Sprengstoff-Pakete mit 1,5 kg verwendet. Bei Sprengaktionen mit dem Helikopter werden vorwiegend 2,5 kg und 5 kg Pakete genutzt.
«Ich habe eigentlich kein Problem damit, im Rucksack fertige Sprengladung dabei zu haben», meint Michi lachend. «Ich habe diese selbst vorbereitet und weiss, sie können nur detonieren, wenn eine offene Flamme an die Sicherheitszündschnur kommt. Wir im Lawinensprengwesen sind die einzigen, die fertige Sprengladungen im Rucksack mittragen dürfen. Ansonsten müssen Zünder und Sprengstoff immer getrennt voneinander transportiert werden.»
Dasselbe gilt bei der Aufbewahrung. Der Zünder wird getrennt vom Sprengstoff gelagert. Eingeschlossen und mit Stahlbeton umhüllt liegen im Lager vom SOS Jakobshorn 100 Kilogramm Sprengstoff. Diese Lagerung erfolgt nach strengen Auflagen und die Bestände werden regelmässig kontrolliert. Das Hauptlager Pulverhütte liegt auf Jschalp, wo 2 Tonnen Sprengstoff gelagert sind.
Pistensicherung
Welche weiteren Sprengarten gibt es?
Stationäre Anlagen: Auslösung des Sprengkörpers via Knopfdruck
«Früh am Morgen, wenn noch keine Skifahrer auf dem Berg sind, können wir die stationären Spreng-Anlagen per Handy auslösen. Dafür müssen wir gar nicht vor Ort sein. Wichtig dabei ist die Absprache mit den Pistenbully-Fahrern. Diese Anlagen sparen viel Zeit. Auf Parsenn stehen sogar 13 Sprengmasten. Am Morgen können alle gleichzeitig ausgelöst werden und einzelne Traversen sind schon fast gesichert», erzählt Michi.
- Sprengmasten: Zwei davon sind ober dem Jatzweg montiert.
- Gasex-Lawinensprenganlagen: Diese werden meist bei schwer zugänglichen und gefährdeten Hängen errichtet. Durch die Mischung von Gas und Sauerstoff entsteht eine Druckwelle, welche die Lawine auslöst.
Sprengungen von der Luft aus
«Bei grossen Schneemengen während einer kurzen Zeit und an schwer zugänglichen Standorten kommt ein Helikopter für die Sprengung zum Einsatz. Wir arbeiten schon lange mit Swiss Helicopter zusammen. Von der Luft aus haben wir unser Skigebiet innerhalb von 15 Minuten gesichert.
Für den nächsten Tag ist passendes Flugwetter gemeldet und der Helikopter ist bestellt. Seit gespannt, in einem weiteren Blogeintrag lassen wir Euch an dieser ebenfalls wichtigen Arbeit des Sprengens teilhaben.
Back in the Office
In der Einsatzzentrale des Rettungsdienstes
«Heute ist der Schnee weniger auslöse freudig als gestern, anscheinend ist die neue Schneeschicht schon gut mit der alten verbunden», beurteilt Michi. Nach dem Sprengeinsatz kehren wir zurück ins Büro. Nun muss alles genau protokolliert werden. Einerseits ist dies eine Absicherung, dass der SOS sich um die Pistensicherung gekümmert hat. Auf der anderen Seite werden die hinterlegten Daten von der Lawinenforschung SLF verwendet, um die aktuelle Schnee- und Lawinensituation einzuschätzen.
«Jetzt trägt jeder seine Sprengungen im Plan ein. Ich zeichne ein, wo ich die Ladung platziert habe und ob diese etwas ausgelöst hat. Die erste war negativ. Bei der zweiten kam oberflächlich etwas ins Rutschen und so zeichne ich den Lawinenumriss grob ein. Zusätzlich erfassen wir die Schneeverhältnisse. Momentan handelt es sich um Lockerschnee, das ist ungebundener trockener Schnee, meist nach Schneefall zu finden. Im Plan sind die Sprengpunkte, die wir häufig verwenden, schon eingezeichnet. Diese haben sich schon mehrere Jahre bewährt.»
Die Sprengarbeiten sind mit der Protokollierung somit für heute abgeschlossen. Das Sprengen für sichere Pisten ist jedoch nur ein kleiner Teil der Arbeiten des Rettungsteams auf dem Jakobshorn. Es wartet ein spannender Tag, wo noch einiges passieren kann.
Hinweise für Freerider
Aktuelle Lawinengefahr und Abfahrten
Als Information und Warnung für die Freerider wird am Freeride-Checkpoint das aktuelle Lawinenbulletin ausgehängt und ab Lawinenstufe 3 werden die Lawinenwarnblinker bei der Jschalp eingeschalten. Der Pisten- und Rettungsdienst ist auch für die Sicherung der gelben Abfahrtsrouten verantwortlich. Im geöffneten Zustand sind diese Freeride Routen auf Parsenn, dem Jakobshorn, auf Pischa und Madrisa gesichert und befahrbar.
Wusstet Ihr: Auf dem Jakobshorn gibt es eine Freeride Learnline mit interessantem Wissen rund ums Freeriden. Vor der Abfahrt könnt Ihr den Umgang mit dem LVS-Gerät im Avalanche Trainings Center beim Restaurant Fuxägufer trainieren.
Die Pisten sind gesichert und offen
«Kann man die Leute schon auf die Piste lassen?», hört man aus dem Funkgerät. «Kommunikation ist bei der Lawinensprengung ein wichtiger Punkt», ergänzt Michi. «Wenn wir keinen Sichtkontakt haben, dann haben wir sicher immer Funkkontakt. Bei jedem Schritt, den wir tun, sprechen wir uns ab. Erst wenn wir die Sprengaktion beendet haben, dürfen die Gäste die Pisten benutzen, vorher nicht.»
Die Pisten sind nun freigegeben und die Lifte laufen. Den aktuellen Status zu allen Strecken findet Ihr auf dem interaktiven Pistenplan. Skitickets erhaltet Ihr ganz einfach in unserem Webshop. Einem erlebnisreichen und sicheren Skitag in den Davos Klosters Mountains steht nichts mehr im Weg. Hättet Ihr gedacht, dass hinter sicheren Pisten so viel Arbeit steckt?
Eure Davos Klosters Mountains
Pisten- und Rettungsdienst Davos Klosters
Serie über unsere Helden
Sie kennen den Berg so gut wie den Inhalt Ihrer eigenen Hosentasche. Über 30 Patrouilleure sind in den Skigebieten der Davos Klosters Mountains unterwegs. Als erste zu Stelle sind sie bei Unfällen und als letzte unterwegs bei der Kontrolle der Piste am Abend. Ihr Motto: Alles für die Sicherheit beim Wintersport. Mit grosser Verantwortung übernehmen sie ihre Aufgaben und treffen Entscheidungen, bei denen es um Leben und Tod geht. Wir stellen Euch in drei Beiträgen die Einsatzgebiete des Pisten- und Rettungsdienstes in Davos Klosters vor!